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Im Schatten der Tepui

12 Februar 2018

(nach der Erzählung "La signora dei fischi“ - Die Frau, die pfeift)  

Wir laden unser Material aus und nach dem Abflug der Cessna verfällt alles ringsherum in eine Stille, die mich beunruhigt, jene Art Stille, die über fehlende Geräusche hinausreicht, die im Kopf widerhallt und in den Ohren zischt und rauscht.

Wäre da nicht unser Führer Leonardo, würde die Pemón-Siedlung völlig unbewohnt erscheinen. Nur die Kinder geben uns gegen Abend das eigenartigerweise erfreuliche Gefühl, aufmerksam beobachtet zu werden.

Rund  um uns die typische Landschaft der venezolanischen Sabana mit üppigen Wäldern, einigen spärlichen Hütten und den Tepuis, jenen seltsamen Bergen mit platter Spitze und senkrecht abfallenden Felswänden, die für Bergsteiger eine magische Anziehungskraft besitzen.

(…) Am nächsten Tag besteht die Gruppe der Träger, die uns zu unserem Kletterziel, den Acopan Tepui, bringen soll, aus Frauen und Kindern. Auch eine Kleine von 6 oder 7 Jahren ist mit dabei, die ein wenige Monate altes Mädchen auf dem Rücken trägt, das entlang des Wegs von seiner als Trägerin angeheuerten Mutter gestillt wird, deren pralle Brüste durch die Anstrengung und die schwüle Hitze schweißüberströmt sind.

Als Frau und Mutter stört mich die Sache, ich habe das Gefühl, ihre Mutterschaft zu entwürdigen, ich weiß aber auch, dass man eine eventuelle Hilfe meinerseits nicht verstanden hätte und ich sie damit nur in Verlegenheit bringen würde.

(…) Letzte Nacht haben sie mein verzweifeltes Pfeifen gehört, weil ich mich im Wald verirrt hatte. Sie bitten mich, diese seltsamen Töne mit dem Mund zu wiederholen, sie bringen sie zum Lächeln, denn sie sind ihnen völlig fremd.

(…) Als ich nach vielen Tagen in das Dorf zurückkomme, ist es wie durch Zauberhand von lärmenden Einwohnern bevölkert und während ich mich am Fluss wasche, sehe ich Kinder, die mir nachspionieren. Ich höre sie dabei pfeifen und glücklich lachen. 

Antonella Giacomini, 48 Jahre, hat auf dem amerikanischen Kontinent Alaska, Kanada, Nordamerika, Mexiko, Venezuela, Peru, Chile und Argentinien bereist, um fremde Orte zu erforschen und Berge zu besteigen. Immer mit ihren Dolomite-Schuhen an den Füßen.