Crossing Patagonia: Von Puerto Natales nach Torres del Paine
Wir sind wie immer müde, aber voller Begeisterung und mieten uns in Puerto Natales ein Auto, um zu den berühmten Torres del Paine zu fahren, die wie Skulpturen in den Himmel ragen. Leider sehen wir nur sehr wenig davon, denn das Wetter ist, wie so oft in diesem abgelegenen Winkel der Welt, recht ungnädig und zwingt selbst die Mutigsten, entweder auf bessere Bedingungen zu warten oder wie in unserem Fall die Pläne zu ändern.
Giulia und ich machen uns nicht allzu viel daraus, vielleicht weil diese Etappe die letzte unserer Reise ist und wir uns an den atemberaubenden Sehenswürdigkeiten schon richtig satt gesehen haben, oder vielleicht, weil wir nicht ohne einen gewissen Stolz behaupten, dass diese gigantischen, senkrecht aufragenden Felsen, die anscheinend vor Jahrmillionen von einem Riesen sorgfältig aufgereiht worden sind, unseren geliebten und wohlbekannten Drei Zinnen von Lavaredo gar nichts voraus haben. Es ist also nur halb so schlimm, und wir kommen ja ein anderes Mal wieder. Mit diesem kleinen Anflug von Hochmut und dem festen Vorsatz, dass dies kein Abschied für immer, sondern nur ein „Auf Wiedersehen” ist, ändern wir den Kurs und fahren in Richtung Los Cuernos. Es muss nicht betont werden, dass wir während der Fahrt trotz der schlechten Sichtverhältnisse wie immer reich mit Emotionen beschenkt werden.
Zwischen einem Guanako, der sich nicht beim Grasen stören lässt, und einer Schar Flamingos, die im Eis, das langsam dem dunklen, ruhigen Wasser der Seen weicht, Nahrung suchen, durchqueren wir endlose und holprige Hügelprärien mit vereinzelten großen Tümpeln. Und dann steigen wir wieder in ein Boot, um noch einen „Tümpel″ zu überqueren, der vom Wind aufgewühlt und gepeitscht wird, mit dem wir bereits Freundschaft geschlossen haben. Die umliegende Landschaft verschlägt uns den Atem. Unvermutet tauchen vor uns im gleißenden Licht der Sonne nach einem Regentag mit ständig eingeschalteten Scheibenwischern blanke, imposante Gebirgsmassive auf, die von zerklüfteten, pechschwarzen Gipfeln überragt werden. Es scheint eine Vision zu sein. Wir beglückwünschen uns im Stillen zu unserer Entscheidung und schnuppern die dichte, schwere Luft, die uns das Atmen manchmal fast unmöglich macht. Am nächsten Tag werden wir zu diesen Felswänden fahren, die unter ihren Farben die Geschichte der Erde verbergen, also auch ein wenig die unsere. Es ist erstaunlich, dass uns der Anblick mancher Landschaften zum Verstummen bringt und wir uns zugehörig und sicher fühlen, obwohl wir Hunderte von Kilometern von zu Hause entfernt sind.
Authors: @wanderlost_2022