Zu fuss zwischen Guatemala und Chiapas - Auf der Reise zur Grenze
Frei durch Guatemala zu reisen, kann schwieriger sein als überall sonst in Süd- und Mittelamerika.
Geld abzuheben ist hier ein Drama, wie wir es bisher nicht kannten: Unsere Karten funktionieren nur in jedem zwanzigsten Bankomat und die Gebühren für uns „Fremde“ sind wirklich exorbitant!
Außerdem macht die geografische Beschaffenheit, mit dichten Wäldern, die auf uralten, versteckten Vulkanen entstanden sind, die Straßen oft unpassierbar oder an der Grenze zur Befahrbarkeit.
Reisebüros, die Touren organisieren, bieten die üblichen, banalen Routen an, die man überall finden kann: Wir vermeiden sie gänzlich und genießen das Unbekannte, das uns auf unseren Irrwegen begegnet. Wie immer, vertrauen wir dem direkten Kontakt mit den Menschen, um eine ehrliche Hilfe zu erhalten.
Wir packen unsere Rucksäcke nach einer zünftigen Tasse mit heißem Kakao und berechnen auf den Millimeter genau die Zeiten, wobei wir alle möglichen unvorhersehbaren Ereignisse wie Streiks, Hochwasser und unregelmäßige Transportmittel berücksichtigen.
Außerhalb der Fenster unseres Mitsubishi offenbart sich die ganze Armut in den unbequemen örtlichen Infrastrukturen. Bequeme Verbindungen zwischen den wenigen großen Flüssen, die dieses wilde Land durchqueren, sind ebenso weit entfernt wie die westliche Denkweise, die hier unter dem Autoverkehr entschwindet, der genutzt wird, um Aluminiumdosen auf den Bodenschwellen zusammenzupressen und wiederverwerten zu können. Bodenschwellen werden auch verwendet, um das Tempo einiger Autos zu verlangsamen, die sich weder an Regeln halten noch Rücksicht auf das Leben anderer nehmen: Das System ist so wirksam, dass viele Familien diesen Trick als kostenloses Mittel nutzen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.
Die Reise geht weiter und mit voller Lautstärke läuft der Spielbericht eines lokalen Fußballspiels, der ein Lächeln auf die Gesichter zaubert und die Diskussionen im Bus anheizt. Mittlerweile strömt brandheiße Luft durch die offenen Fenster und führt dichte Staubwolken mit sich.
Durchgerüttelt auf den holprigen Wegen und neugierig angestarrt, als wären wir Wesen von einem anderen Stern, nutzen wir die Zeit, um Landkarten zu studieren und ein Buch zu lesen.
In Guatemala gibt es nur wenige Wasserläufe, aber zahlreiche Fähren fahren von einem Ufer zum anderen und befördern Busse, Mopeds, Ladungen von Reis, Kaffee und Obst und sogar Autobusse von biblischen Proportionen.
Bei fünfunddreißig Grad im feuchten, subtropischen Klima warten wir ewig lang, bis die Reihe an uns ist, aber schließlich können wir weiterfahren. Von Kilometer zu Kilometer laden und entladen wir Scharen von Menschen, die mit Hühnern, Kindern, Vorratssäcken, großen Kartons mit allen möglichen Lebensmitteln ein- und aussteigen wie Vertriebene; glückliche Menschen, die das Aufgeben gewohnt sind und mit großer Entschlossenheit und scheinbar unbekümmert ihre jeweilige Situation leben.
Wir fahren über zehn Stunden, eingepfercht zwischen Familien und Kinderaugen, die geduldig lächeln, stumm und freundlich, aber schon lange erwachsen. Die meisten haben ein jüngeres Geschwisterchen am Hals hängend: keine Rede von Babysittern, die Menschen in Guatemala haben aus der Notwendigkeit eine Tugend gemacht!
Die Straße bleibt holprig unter unseren Rädern, ohne viele Kurven, dafür mit starken Steigungen. Der vom Gewicht der Jahre erschöpfte Motor lässt ein ziemlich beunruhigendes Keuchen und Stöhnen hören.
Die Dörfer, in denen wir Benzin nachfüllen, sind selten; alle haben einen kleinen zentralen Platz, auf dem sich die zerbeulten Tuk-Tuks der örtlichen Bewohner versammeln. Alle Menschen hier bewegen sich sehr langsam und reden ungemein viel!
Abseits der Strecken von Lonely Planet gibt es keinen Tourismus, als gäbe es einen Graben zwischen der Realität und den archäologischen Stätten, die nunmehr zum Herrschaftsgebiet der Selfies geworden sind. Der Tourismus in Guatemala steigt schlagartig und lässt in seinem Kielwasser eine Gesellschaft mit zwei Geschwindigkeiten entstehen: eine vom Massentourismus geprägte, die im perfekten Stil „Riviera Maya“ vorrückt, die andere aufgebaut auf einer Landwirtschaft, die den Forderungen eines globalen Marktes nicht mehr gewachsen ist, der immer einheitlicher wird, unerbittlich gegen Biodiversität und Traditionen der lokalen Bauern.
Ohne Sicherheitsgurten und mit rasender Geschwindigkeit überqueren wir kleine Hochebenen erloschener, von üppiger Vegetation überwucherter Vulkane; nach 12 Stunden - davon drei Stunden Aufenthalt wegen eines geplatzten Reifens und eine zur Überprüfung des Motors mit behelfsmäßigen Werkzeugen - erreichen wir die Grenze zwischen Guatemala und Mexiko und sind endlich in der magischen Welt von Chiapas angekommen!